Die Funktion (raum-)zeitlichen Kontextes im visuellen Arbeitsgedächtnis
Deutsche Projektbeschreibung
Wir erleben und beschreiben visuelle Ereignisse in Raum und Zeit, was die Vermutung nahelegt, dass raumzeitliche Merkmale auch die kognitiven Prozesse strukturieren, die unser Erleben und Handeln überhaupt erst ermöglichen. Für das visuelle Arbeitsgedächtnis ist es tatsächlich weitgehend anerkannt, dass räumlichen Aspekten eine entscheidende Rolle zukommt. Über die Rolle zeitlicher Aspekte hingegen weiß man bisher nur wenig. In den Arbeiten der ersten Förderperiode haben wir gezeigt, dass sowohl räumliche als auch zeitliche Kontexte nicht nur inzidentell mitenkodiert werden, sondern auch funktional relevant sind – sie scheinen gedächtnisstützende Bezugssysteme darzustellen. Ziel dieses Projekts ist es, unser Verständnis von (raum-)zeitlichem Kontext im visuellen Arbeitsgedächtnis und dessen Funktion für das Erinnern visueller Ereignisse zu vertiefen und zu erweitern. Wir verfolgen dafür vier Hauptziele. (1) Um einzugrenzen, wann und wie raumzeitlicher Kontext das visuelle Arbeitsgedächtnis stützt, werden wir den zeitlichen Verlauf raumzeitlicher Kontexteffekte nachzeichnen. Damit wollen wir zum einen feststellen, ob die Bedeutsamkeit raumzeitlichen Kontextes sich erst im Laufe der Aufrechterhaltung herausbildet – was auf eine funktionale Rolle während dieser Verarbeitungsstufe hindeuten würde – und zum anderen, ob sie bei längeren Verhaltensintervallen nachlässt oder ganz verschwindet. Dies würde für eine Umwandlung in ein anderes Speicherformat sprechen. Wir werden dann den Beitrag raumzeitlicher Merkmale zu einem bestimmten Mechanismus untersuchen, der Kontexteffekten während der Aufrechterhaltung zugrunde liegen könnte: attentionale Auffrischung (Refreshing). (2) Wir werden Prinzipien identifizieren, nach denen raumzeitliche Bezugsrahmen in natürlicheren Umgebungen gebildet werden. Zum einen werden wir Rahmenbedingungen aufzeigen, unter denen Bezugsrahmen raumzeitliche Eigenschaften aufgabenirrelevanter Objekte umfassen, und zum anderen untersuchen, ob und wie raumzeitliche Bezugssysteme sich bewegender Objekte aktualisiert werden. (3) Wir werden klären, ob individuelle Unterschiede in der Enkodierung von raumzeitlichem Kontext Ausdruck stabiler Personenmerkmale sind, die mit räumlichen und zeitlichen Fähigkeiten sowie mit etablierten Markern des visuellen Arbeitsgedächtnisses (z.B. Kapazität, Filtereffizienz) zusammenhängen. (4) Wir werden die Rolle raumzeitlichen Kontextes im höheren Alter kennzeichnen. Insbesondere werden wir klären, ob die Enkodierung von raumzeitlichem Kontext im höheren Alter beeinträchtigt ist und so zu der allgemeinen Verschlechterung des Arbeitsgedächtnisses beiträgt, oder aber verstärkt erfolgt, und so möglicherweise Beeinträchtigungen entgegenwirkt.
Englische Projektbeschreibung
We perceive and describe visual events in a spatiotemporal fashion, and it seems natural to assume that spatiotemporal properties likewise structure the cognitive processes that enable us to experience and act in the first place. For visual working memory, a critical role of space is indeed widely acknowledged, but much less is known about the role of temporal properties. Our recent work has shown that both spatial and temporal contexts are not only incidentally encoded along with to-be-memorised information but also functionally relevant, suggesting that they constitute fundamental reference frames that aid memory.Building on these findings, this project aims to advance our understanding of (spatio-)temporal context in visual working memory and to characterise its function for remembering visual events. We will pursue four main objectives to achieve this overarching goal. (1) To elucidate when and how spatiotemporal context benefits visual working memory, we will delineate the time course of spatiotemporal context effects to determine if memory dependence on spatiotemporal reference frames only builds up during maintenance, indicating a functional role during this processing stage, and decreases at longer delays, indicating a transformation to a different storage format. We will then examine if spatiotemporal properties contribute to the benefits of attentional refreshing, a mechanism that could underlie context effects during maintenance. (2) We will identify principles that guide the formation of spatiotemporal reference frames in more natural environments. More specifically, we will reveal boundary conditions, under which reference frames comprise spatiotemporal properties of task-irrelevant objects, and determine if and how spatiotemporal reference frames are updated for moving objects. (3) We will clarify if individual differences in the encoding of spatiotemporal context reflect stable, trait-like characteristics that are related to spatial and temporal abilities and established markers of VWM (e.g., capacity and filtering efficiency). (4) We will characterise the role of spatiotemporal context in healthy aging. In particular, we will establish if the encoding of spatiotemporal context in older age is impaired, contributing to the general decline of working memory, or enhanced, possibly counteracting age-related impairments.
Beteiligte Organisationseinheiten der HU
Mittelgeber
DFG Sachbeihilfe
Laufzeit
Projektstart: 05/2022
Projektende: 04/2025
Forschungsbereiche
Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Forschungsfelder
Aktive Wahrnehmung und Kognition