GRK 2190/1: Literatur- und Wissensgeschichte kleiner Formen
Kleine Formen des Schreibens sind kein Novum unter den Texttypen und -genres, gewinnen aber gegenwärtig – angesichts von aktuellen Herausforderungen durch mediale Mobilitätsschübe und Vernetzungsmöglichkeiten – erhöhter Relevanz. Durch knapper werdende Aufmerksamkeitsressourcen wird es zur anspruchsvollen Aufgabe, kulturelle Merkwelten zu organisieren. Die Frage, wie Beobachtungen verwaltet, Ideen gesammelt, Kenntnisse vermittelt und Lernprozesse gelenkt werden, betrifft deshalb – über die Kapazitäten von Wissensspeichern hinaus – speziell die Routinen und Darstellungspraktiken, in denen die Produktion und Vermittlung von Wissen multiple Formen annimmt. Je unübersichtlicher die Fülle des Wissbaren wird, je zügiger Neuigkeiten registriert werden müssen und je höher die Anforderungen an die soziale Kommunikationsökonomie steigen, desto mehr sind Wege gefragt, um begrenzte Zeit- und Platzspielräume ebenso effizient wie kreativ zu nutzen. Für die Praxis von Forschung und Unterricht, Kunst und Medienöffentlichkeit sind Kleinformen des Schreibens wie Skizzen, Abstracts, Notizen, Protokolle, Exzerpte, Essays, Artikel und Glossen deshalb unentbehrlich. Ihre Genese und Evolution, mit der sie zugleich an der Erfolgsgeschichte der Prosa teilhaben, sind bislang jedoch nur punktuell erforscht. Das Graduiertenkolleg soll dazu einen Beitrag leisten, indem es ihre Literatur- und Wissensgeschichte im historischen Aufriss von der Antike bis zur Gegenwart untersucht. Mit dem systematischen Schwerpunkt auf Literatur, Wissenschaft und Populärkultur wird es – erstens – sondieren, welche Kleinformen des Schreibens und Darstellens innerhalb dieser Felder entstehen und wie mit ihrer Hilfe Verständigungsprozesse gesteuert, reflektiert, kritisiert und medienspezifisch kanalisiert werden. Zweitens richtet es den Fokus auf die Austauschdynamiken von kleinen Formen zwischen diesen Feldern. Studien- und Betreuungsprogramm sind auf fachliche wie auf historische Breite angelegt und schaffen einen Rahmen für die Ausbildung von Doktorand*innen auf höchstem methodischem Standard und internationalem Niveau. Das Qualifizierungskonzept gewährleistet die Durchführbarkeit des Programms, indem es erfolgreich erprobte Betreuungsformen - bestehend aus Seminaren, Kolloquien, Workshops und Retreats – mit berufsnahen Studienangeboten kombiniert. Bestandteil der Ausbildung ist darum im zweiten Förderjahr eine Praxiswerkstatt, in der die Kollegiat*innen einerseits mit praxeologischen Forschungsansätzen vertraut gemacht werden, andererseits Einblicke in die Arbeitswelt von Zeitungsredakteur*innen und Online-Journalist*innen, Bibliothekar*innen und Archivar*innen erhalten, die mit kleinen Formen umgehen.
Weitere Projektmitglieder
Mittelgeber
Laufzeit
Projektstart: 04/2017
Projektende: 12/2021
Forschungsbereiche
Forschungsfelder