Tagung "Städtische Wettkampfkulturen in der europäischen Vormoderne"


Tagung "Städtische Wettkampfkulturen in der europäischen Vormoderne", 20.-22. Oktober 2016 in Münster (Institut für vergleichende Städtegeschichte) Die vormoderne Stadt galt lange Zeit als Hort einer zünftisch regulierten und damit per se wettbewerbsfeindlichen Wirtschaftsweise sowie einer prinzipiell egalitären Bürgergesellschaft, die Konkurrenz und soziale Mobilität in der Regel zu begrenzen suchte. Gegen dieses traditionelle Geschichtsbild hat sich in jüngster Zeit ein Forschungszweig etabliert, der unter dem Dachbegriff der ‚Konkurrenzkulturen‘ den vielfältigen Erscheinungsformen des Agonalen im urbanen Raum nachgeht. Wenn ‚Konkurrenz‘ im Gefolge von Georg Simmel als indirekte Auseinandersetzung mindestens zweier Parteien um die Gunst des Publikums definiert werden kann, ist damit eine soziale Praxis und „Vergesellschaftungsform“ (Claudius Sittig) aufgerufen, deren inhärente Dynamik Hierarchien und ständische Differenzierungen kurzzeitig in Frage zu stellen vermag. Die kompetitive Evidenz von Sieg und Niederlage, Erfolg und Misserfolg birgt eine Neuverteilung von symbolischen Ressourcen und performativ wie medial vermittelte Zuschreibungen von Status und Reputation in sich, gilt doch das Diktum Johan Huizingas in seinem klassischen Werk „Homo Ludens“: „Mit jedem Wettstreit ist nicht allein ein ‚um‘ etwas, sondern auch ein ‚in‘ oder ‚an‘ etwas und ein ‚mit‘ etwas verbunden.“ Grundlage hierfür sind historisch variable Institutionalisierungsformen, die das informelle „Sich-Messen“ erst zu einem hochformalisierten und seriell wiederholbaren Wettkampfgeschehen fortentwickelten und damit die Evidenz des Agonalen fest in der jeweiligen Lebenswelt verankerten. Jenseits der verbreiteten Rede von der Konkurrenz als anthropologischer Konstante wird sich die Tagung historisch-spezifischen Ausprägungen von Konkurrenzkulturen in mikrohistorisch-stadtgeschichtlicher Perspektive annähern und dabei stets die kontextbedingte – politische, soziale und ökonomische – Verfasstheit vormoderner Stadtgesellschaften in Rechnung zu stellen haben. Erstmals systematisch und europäisch vergleichend wird dabei eine Bandbreite von „konkreten kompetitiven Performanzen“ (Markus Tauschek) in den Städten der Vormoderne in den Blick genommen werden, die bisher eher in typologischer wie lokaler Vereinzelung untersucht worden sind: Allen voran physische Wettkampfformen – Bogen-, Armbrust- und Büchsenschießen, Turniere als Einzel- und Gruppenkonkurrenz, battagliole (Gruppenkämpfe in italienischen Städten), Wettrennen (Pferderennen, Wettläufe, Regatten), Preisfechten im Rahmen von temporären Fechtschulen, aber auch künstlerische und akademische Wettbewerbe wie etwa Dichter-, Theater- und Künstlerkonkurrenzen und Disputationen. Im Quervergleich dieser vielfältigen, jedoch allesamt dem Fluchtpunkt des Leistungsvergleichs verhafteten Wettkampftypen wird vor allem nach den Organisationsformen, Performanzen und Wahrnehmungen dieser genuin städtischen Konkurrenzen gefragt. Im Unterschied zur bisherigen Forschung, die sich in der Regel stärker mit den festiven, zeremoniellen und symbolischen Rahmungen beschäftigt hat, werden die einzelnen Tagungsbeiträge das spezifische agonale Momentum und die bedeutungsgenerierende Dynamik von Sieg, Niederlage und Platzierung fokussieren, um den konkurrenzkulturellen Formationen in vormodernen Städten auf den Grund zu gehen.


Principal investigators
Jaser, Christian (Details) (Medieval History)

Financer
Fritz Thyssen Stiftung

Duration of project
Start date: 10/2016
End date: 03/2019

Last updated on 2022-22-11 at 04:05