Dinosaurier in Berlin! Der Brachiosaurus brancai – eine politische, wissenschaftliche und populäre Ikone


Seit fast acht Jahrzehnten überragt ein Objekt die Berliner Museumslandschaft: der Brachiosaurus brancai. Er gehört wie die Büste der Nofretete zu den weltberühmten Ikonen der deutschen Museen und Wissenschaften. Seine Ausgrabung in Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, die ab 1909 durch Wissenschaftler*innen des Museums für Naturkunde Berlin (MfN) durchgeführt wurde, gilt als weltweit erfolgreichstes paläontologisches Unternehmen. Die damals geborgenen Fossilien stehen nach wie vor im Zentrum des internationalen naturwissenschaftlichen Interesses, da sowohl ihr Erhaltungszustand als auch die Vollständigkeit der gefundenen Skelette außergewöhnlich ist.
Die Bergung der Objekte aus „deutschem Boden in Afrika“ wurde unter großer medialer Aufmerksamkeit realisiert. 1937 wurden die präparierten Knochen erstmals im Lichthof des MfN aufgestellt und sind auch heute ein internationaler Publikumsmagnet.
Die Funde dieses wissenschaftlichen Unternehmens legen ein beredtes Zeugnis des vergangenen Jahrhunderts ab: Der Brachiosaurus brancai wurde am Berg Tendaguru entdeckt, während des nationalsozialistischen Regimes einer breiten Öffentlichkeit präsentiert, 1943 wegen der Luftangriffe im Keller des MfN gesichert, 1953 in der nun geteilten Stadt wiedererrichtet. Mitte der 1980er Jahre wurde das Skelett als Unterpfand der DDR-Außen- und Wirtschaftspolitik nach Japan entliehen, 2007 schließlich auf der Grundlage aktueller paläontologischer Erkenntnisse und moderner Rekonstruktionstechnologien neu aufgestellt.
Brachiosaurus brancai als pars pro toto der Grabungsergebnisse aus Tansania ist ein außergewöhnliches globales und transnationales Brückenobjekt, das unterschiedliche erdgeschichtliche Zeiten, politische Räume, Nationen, Kulturen und Wissensformen verbindet. Es vereint die globale Geschichte der Saurierforschung mit lokaler Paläontologie, erzählt ein Kapitel wissenschaftlicher Erwerbungspraktiken und transnationaler Transfergeschichte im Zeitalter des Kolonialismus, ist Teil einer politischen Geschichte deutscher Wissenschaft und Forschung sowie der musealen Inszenierung, gibt Einblick in Prozesse der wissenschaftlichen sowie musealen Bild- und Formgebung. Die Dinosaurierknochen aus Tansania stehen im Zentrum einer Wissensgeschichte der Paläontologie und der Populärkultur des 20. Jahrhunderts. Weder ihre wissenschaftliche noch ihre kulturelle Bearbeitung sind bislang an ihr Ende gekommen.

Projektleitung
Schäffner, Wolfgang Prof. Dr. phil. (Details) (Wissens- und Kulturgeschichte)
Bredekamp, Horst Prof. Dr. (Details) (Seniorprofessor(inn)en und Professor(inn)en im Ruhestand)
Eckert, Andreas Prof. Dr. phil. (Details) (Geschichte Afrikas)
Vogel, Johannes Prof. Dr. (Details) (weitere Mitarbeiter(innen))

Mittelgeber
BMBF

Laufzeit
Projektstart: 01/2016
Projektende: 10/2017

Forschungsbereiche
Geologie und Paläontologie

Forschungsfelder
Kulturgeschichte

Zuletzt aktualisiert 2022-08-09 um 23:07