2: Visuelle Strategien in Wissenschaft und Technik


Als Ergebnis neuer Massentechnologien entwickeln Bildmedien ihre nutzungs- und disziplinspezifischen Anwendungen und Semantiken, die für die Interpretation des Sichtbaren von entscheidender Bedeutung sind. Gleichzeitig stellt ihre konkrete Gestaltung – das Technische des Bildes – den gemeinsamen Problemhorizont unterschiedlichster Felder dar, welcher dadurch auch wieder über den naturwissenschaftlichen Bereich hinausweist. Entsprechend dem Alphabetisierungsgrad der Gesellschaft muss heute auch ihr Ikonisierungsgrad als Gradmesser von Modernisierung begriffen werden. Die Arbeitsprojekte der ersten beiden Phasen waren oder sind als exemplarische Beiträge zu einer Geschichte technischer Bilder zu verstehen, in denen die Bestimmung des Abhängigkeitsverhältnisses von instrumenteller Hervorbringung und formaler Prägung das entscheidende Moment ist. Während in diesen Projektphasen die Formen naturwissenschaftlicher Visualisierungsstrategien im Hinblick auf ihre kommunikativen und technischen Prinzipien, ihre historische Ableitung und ihre disziplinären Facettierungen im Mittelpunkt gestanden haben, soll in Projektphase 3 nun in systematischer Weise formulierbar werden, in welchen Kontexten und aus welchen Motiven heraus Bildlichkeit in den Naturwissenschaften eigene Formen der Erkenntnis erzeugt, für die es keinen nichtbildlichen Ersatz gibt und für deren Analyse es der entsprechenden bild- und formanalytischen Methoden bedarf. Eine solche „Kunstgeschichte der Wissenschaft“ (vgl. Bruhn 2009) kann im Hinblick auf materielle Hinterlassenschaften (Zeichnungen, Fotografien, Objektsammlungen, Notationen) deutlich machen, inwieweit die dynamische Produktion von Bilddaten spezifische Probleme der Speicherung – und damit auch der historischen Überlieferung – aufwirft, die notwendig mit Fragen visueller Erkenntnis in den Wissenschaften verbunden sind. Diese Frage wird auch aus Sicht anderer Bereiche der Wissenschaftsgeschichte immer dringlicher. Ein besonderes Augenmerk soll den politischen und industriellen Dimensionen des Bildlichen zukommen, die sich aus den Reproduktions- und Austauschprozessen von Bildern in der Massengesellschaft, etwa im Bereich der Medizin, im politischen oder militärischen Kontext und in der Unterhaltungsindustrie sowie im Nachrichtenwesen, ergeben. Die immer wieder verblüffende, ungeheure Bereitschaft der hochtechnisierten Gesellschaft, in optische und elektronische Medien, bildgebende Verfahren und visuelle Techniken in steigendem Maße zu investieren, soll auch einen Motor der Untersuchungen in der dritten Projektphase ausmachen. Insofern Bilder in der technisch hochentwickelten Gesellschaft neben Zahl und Schrift einen unverwechselbaren Stellenwert im Instrumentarium der Kulturtechniken besitzen, wird ihre Analyse daher selbst zur Grundlage bewusster Erkenntnis. Die dritte Projektphase soll es ermöglichen, eine entsprechende Theorie visueller Epistemologie zu formulieren, welche die vorgelegten Ergebnisse zusammenführt und auch mit den Arbeiten verwandter Projekte, die sich seither auf internationaler Ebene etabliert haben, korreliert. Damit soll zugleich unterstrichen werden, in welchem besonderen und konkreten Verhältnis Technik und Bildtheorie zueinander stehen und inwiefern die Herausarbeitung dieses Verhältnisses zu den ersten Aufgaben kunsthistorischer Arbeit gehört.


Principal investigators
Bredekamp, Horst Prof. Dr. (Details) (Senior Professor and Professors retired)
Bruhn, Matthias (Details) (Department of Art and Visual History)

Financer
DFG: Sachbeihilfe

Duration of project
Start date: 05/2011
End date: 03/2014

Research Areas
Art History

Last updated on 2022-09-09 at 01:06