Gender und Sprache in Südosteuropa: Sprachliche Manifestationen von Genderkonzeptualisierungen in Albanien, Kroatien und Serbien


Das Projekt hat für die drei untersuchten südosteuropäischen Länder Albanien, Kroatien und Serbien umfassende empirische Analysen zu Personenbenennungspraktiken in verschiedenen linguistischen Kontexten realisiert. Zur komparativ angelegten Untersuchung wurden Analyseverfahren entwickelt, die es erlaubten, Personenbenennungen kontextsensitiv auf verschiedenen analytischen Ebenen zu erforschen. Auf der Produktionsebene wurden Grammatiken und Lehrbücher sowie Tageszeitungen untersucht, die einen differenzierten Einblick in die Bedeutung von gesellschaftlichen Vorstellungen über Gender für die Personenbenennungspraxis verdeutlichen konnten. Personenbenennungen nehmen innerhalb grammatischer Strukturen und sprachlicher Regelungen eine besondere Stellung ein. In durch das Genus geprägten sprachlichen Strukturen, wie bei den in diesem Projekt untersuchten Personenbenennungspraktiken im Albanischen, Kroatischen und Serbischen ist diese Sonderstellung besonders deutlich erkennbar. Ein wichtiges Ergebnis ist dabei, dass sich gerade die aus dem plurizentrischen Serbokroatischen hervorgehenden sprachlichen Kontexte in Serbien und Kroatien in der Benennungspraxis von Frauen im öffentlichen Raum aktuell eklatant unterscheiden. Im hier untersuchten schriftlichen Sprachgebrauch wird die Wirkung von Normierungs-, Standardisierungs- und Konventionalisierungsprozessen besonders klar. Hier, mehr noch als im mündlichen und umgangssprachlichen Kontext, erhalten sie ihre diskursprägende Bedeutung und können zudem in Bezug auf ihre äußeren Anreize und Sanktionierungsmaßnahmen gegenüber den Spracherwerbenden durch reglementierende Institutionen wie eben der Grammatikschreibung untersucht werden. Ein zentrales Ergebnis des Projekts ist der anhaltende und normierte Gebrauch des androgendernden Maskulinums (sogenanntes Generisches Maskulinum), der an vielen Stellen systematisch untersucht und umfassend belegt werden konnte. In sämtlichen der untersuchten Grammatiken aber auch in den jeweiligen linguistischen Diskursen werden Maskulina als neutrale Form der Appellation herausgestellt, d.h. sie gelten als unspezifizierend im Hinblick auf das Geschlecht der appellierten Person. Anhand dieser linguistischen Norm zeigen sich herrschende Vorstellungen rund um die Einteilung von Menschen auf Grund von Gender besonders anschaulich, wie in zahlreichen Teilstudien des Projekts konsequent untersucht und beschrieben wurde. Ein durch das androgendernde Maskulinum geprägter Sprachgebrauch ist (auch) im Albanischen, Kroatischen und Serbischen nicht als neutral einzuschätzen, sondern hat eine sehr klare Tendenz, in der Perzeption von Sprachnutzer_innen als vornehmlich Männer benennende Sprachform wahrgenommen zu werden. Dies hat zur Folge, dass der neutrale Mensch männlich konzeptualisiert wird und auf diese Weise eine sehr subtile mentale Gleichsetzung von Mensch und Mann stattfindet, die im Kontext sprachlicher Diskriminierung zu interpretieren ist. Auch die ebenfalls umfassend belegte Praxis der Exklusivgenderung von Frauen in den drei untersuchten Sprachen (die nur für manch hohes Amt in einigen Kontexten kategorisch abgelehnt wird) führt dazu, dass maskuline Benennungsformen, die auch für genderspezifizierend männliche Benennungskontexte genutzt werden, nicht genderneutral perzipiert werden. Ein weiteres wichtiges Ergebnis dieses Projekts ist, dass sich auch am hier untersuchten Sprachgebrauch in Südosteuropa zeigt, dass Personenbenennungen in Genussprachen insgesamt fast ausschließlich innerhalb einer dichotomisierenden Sicht auf Gender als entweder weibliche oder männliche Identitäten benennend konzeptualisiert werden. Möglichkeiten zu einer Genderbenennung jenseits dieser binären Kategorien gibt es im konventionellen Sprachgebrauch entweder keine (Serbien, Albanien) oder nur wenige (Kroatien) und diese wenigen werden darüber hinaus kaum genutzt. Neben diesen deutlichen Ergebnissen zu Fragen der Normierung und der Konventionalisierung von Personenbenennungspraktiken hat sich das Projekt intensiv mit den Möglichkeiten der Vermeidung solcher dichotomisierenden und heteronormativen Personenbenennungspraktiken auseinandergesetzt. Hier zeigte sich, dass Sprache gerade in durch Genus geprägten, genderdichotomisierenden Personenbenennungskontexten zu einem Aktionsfeld symbolischer Macht werden kann.


Principal investigators
Voß, Christian Prof. Dr. (Details) (South Slavic Languages and Cultures)

Financer
DFG Individual Research Grant

Duration of project
Start date: 01/2010
End date: 10/2013

Last updated on 2025-15-01 at 22:54