Rechtsstaat oder Rule of Law im Spannungsfeld zwischen Universalität und Partikularität – China im Fokus II


Das interdisziplinäre und interkulturelle Forschungsprojekt zielt auf eine Neukonzeptualisierung des Verhältnisses von Universalität und Partikularität bezüglich der Rechtsstaatlichkeit oder rule of law: Grundlage der Neukonzeptualisierung ist eine Entkopplung der Vorstellung der Universalität von der Berechtigung zur globalen Durchsetzung. Statt von einem zeitlosen und kontextunabhängigen rechtsstaatlichen Universalismus ist von einem Universalitätsverständnis auszugehen, das die normative Geltung der Rechtsstaatlichkeit von gesellschaftlichen Bedingungen abhängig macht. Statt für einen absoluten singulären Universalismus wird für die Pluralität der Universalismen plädiert. Es ist von der Polarität auf die Symbiose zwischen Universalität und Partikularität umzustellen. Die Vielfalt der Kulturen ist nicht als Unvereinbarkeit in sich geschlossener Kulturen, sondern als Andersheit verschiedener konvergenz- und lernfähiger Kulturen zu konzipieren. Außerdem ist der Fokus von der extrovertierten Suche nach einem globalen Minimalkonsens oder Mindeststandard über den Rechtsstaat auf die introspektive, auch durch die Begegnung mit dem Fremden initiierte Selbstreflexion und Selbsttransformation zu lenken. Statt nach einem weltumspannenden Konsens oder Standard zu suchen, sollte man sich mehr dafür einsetzen, dass innerhalb jeder Gesellschaft auf der Basis ihres sozialen und kulturellen Kontexts ein eigenes Konzept über das rechtliche Zusammenleben der Menschen gebildet und weiterentwickelt wird, dass in diesem (Fort-)bildungsprozess auch ein Geist der Universalität entwickelt und über den eigenen Kontext hinausgewiesen wird. Mit dem Ziel einer Neukonzeptualisierung des Verhältnisses von Universalität und Partikularität ist ein anderes Ziel eng verbunden, nämlich ein Konzept eines chinesischen Rechtsstaats zu entwerfen. Dieses Konzept sollte sowohl auf dem chinesischen gesellschaftlichen und kulturellen Kontext basieren als auch über diesen Kontext hinausweisen und einen Geist der Universalität in sich tragen. Es sollte darauf ausgerichtet sein, die die moderne chinesische Geschichte bis heute durchziehende dreifache Spannung zwischen Tradition und Modernität, zwischen Universalität und Partikularität sowie zwischen rechts und links zu überbrücken und auszugleichen. Dabei geht es weder nur um einen Beitrag zum rechtlichen Wandlungsprozess in China noch nur um einen Beitrag zum westlichen Verständnis der Problematik des chinesischen Rechtsstaats, sondern es geht auch darum, gegenseitige Anregungen und Bereicherungen zwischen China und der westlichen Welt zu entdecken und im Lichte der Auseinandersetzung mit der Rechtsstaatsproblematik in China eine kritische Reflexion über die Theorie und Praxis des Rechtsstaats in der westlichen Welt anzustellen.


Projektleitung
Yang, Teng-Chieh Dr. (Details) (Öffentliches Recht)

Mittelgeber
DFG: Eigene Stelle (Sachbeihilfe)

Laufzeit
Projektstart: 09/2015
Projektende: 02/2017

Zuletzt aktualisiert 2022-08-09 um 19:06