Die diplomatische persona im politische Ritual: Westeuropäische Gesandtschaftsberichte aus dem Osmanischen Reich (16.-18. Jahrhundert)


Das Projekt geht davon aus, dass die ritualisierte Praxis diplomatischer Kommunikation in der frühen Neuzeit unter den Bedingungen wechselseitiger, kultureller Distanzerfahrung in besonderer Weise dazu beigetragen hat, Prozesse der Selbstbeobachtung zu intensivieren und zu dynamisieren. Es will vor diesem Hintergrund westeuropäische Gesandtschafts- und Reiseberichte aus dem Osmanischen Reich als Selbstzeugnisse in den Blick nehmen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, inwieweit die Spannung zwischen Fremdbeschreibung und Selbstthematisierung in politischen Ritualen die Modellierung handlungsleitender Konzepte von Person beeinflusst hat und inwieweit das in die einschlägigen zeremonialwissenschaftlichen und politiktheoretischen Diskurse eingegangen ist. Das Projekt soll zudem vor Augen führen, wie sich kulturelle Fremdheit, die hier als flexibles Wahrnehmungs- und Deutungsmuster verstanden wird, in ganz konkreten, gewissermaßen handgreiflichen Situationen ritualisierter Begegnung aufspüren lässt. Es darf deshalb auch als Plädoyer für eine wissenstheoretisch ausgerichtete Diplomatiegeschichte in transkultureller Absicht gelten. Das Projekt soll neben Berichten habsburgischer Gesandter und Gesandtschaftsangehöriger, die zwischen 1550 und 1850 das Osmanische Reich bereisten, exemplarisch auch einschlägige englische, französische, niederländische und venezianische Quellen berücksichtigen - steht doch außer Frage, dass die Prozesse beschleunigter diplomatischer Professionalisierung, die mit der sogen. "Entzauberung Asiens" (Jürgen Osterhammel) einhergingen, nur komparatistisch und in der longue durée zu erfassen sind. Denn auch darum geht es in diesem Projekt: Wer nach dem hochkomplexen Zusammenhang von Differenzerfahrung und Selbstthematisierung in politischen Annäherungs-, Begegnungs- und Verhandlungsritualen fragte, fragt immer auch nach den mentalen Bedingungen diplomatischer Eliten in Westeuropa - und damit nach den Voraussetzungen und Veränderungen "west-östlicher" Wahrnehmungs- und Deutungsmuster.


Projektleitung
Burschel, Peter Prof. Dr. (Details) (Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit)

Mittelgeber
DFG: Sachbeihilfe

Laufzeit
Projektstart: 06/2011
Projektende: 03/2015

Publikationen
Christine Vogel, Turban und Degen. West-Östlicher Kulturkontakt im Spiegel frühneuzeitlicher Gesandtschaftsberichte. In: Traditio et Innovatio. Forschungsmagazin der Universität Rostock, 14. Jahrgang, Heft 1 (2009), S. 33-35.

Christine Vogel, Osmanische Pracht und wahre Macht. Zur sozialen Funktion von Differenzmarkierungen in diplomatischen Selbstzeugnissen des späten 17. Jahrhunderts. In: Hans Medick/ Angelika Schaser/ Claudia Ulbrich (Hg.): Selbstzeugnis und Person -- Transkulturelle Perspektiven. [im Druck]

Christine Vogel, The caftan and the sword. Dress and diplomacy in Ottoman-French relations around 1700. In: Claudia Ulbrich/ Richard Wittmann (Hg.): Fashioning the Self in Transcultural Settings: The Uses and Significance of Dress in Self-Narratives. [im Druck]

Christine Vogel, Der Marquis, das Sofa und der Großwesir. Zur Medialisierung transkultureller Audienzen im späten 17. Jahrhundert. In: Peter Burschel/ Christine Vogel (Hg.): Audienzen transkulturell. [Sammelband auf der Grundlage eines gleichnamigen Workshops vom 4./5. März 2011, in Vorbereitung].

Zuletzt aktualisiert 2022-09-09 um 01:05